titelthema „wo warst du, adam?” heinrich böll fragt in seinem gleich- namigen roman: „wo warst du adam?”. der soldat adam fein- hals erlebt den 2. weltkrieg in seiner ganzen gewalttätigen sinnlosigkeit. seine liebe zu einer jüdin kann sich gar nicht entfalten, da sie de- portiert wird. adam scheint sich ergeben in die umstände zu fügen, nimmt alles menschenverachtende zwar wahr, aber als unabänderlich hin. - im paradies ruft gott: „wo bist du, adam?”, als er mit ihm über sein verhalten sprechen will. doch der versteckt sich zunächst und redet sich dann heraus: die schuld liege allein bei der frau. „adam” war ursprünglich kein ei- genname, sondern ist das hebrä- ische wort für „mensch”. „wo bist du, mensch, wenn gegen verträge und zusagen verstoßen wird und andere leid und gewalt ertragen müssen?” vom mord des kain an abel bis zum tod jesu am kreuz ist die schuld eines der zentralen themen der bibel. die biblischen erzählungen verheimlichen nicht, dass jeder fä- hig zur gewalt ist. es reizt, macht zu haben. sogar der gedanke ist uns nicht völlig fremd, gelegentlich mit „heiliger gewalt” probleme lösen zu wollen. in einem begrenzten be- reich verfügt jeder über macht und kennt die versuchung, ihr zu erlie- gen. beide teile der bibel beschäf- tigen sich sowohl mit den ursachen als auch mit der überwindung von gewalt. jakobus kritisiert krieg als eine folge einer begierde, die nie genug bekommen kann. jesaja nennt frieden das werk der ge- rechtigkeit. und die bibel stellt klar, dass macht dem recht unterstellt werden soll! (dtn. 17, 14ff) der gern zitierte satz: „auge um auge, zahn um zahn” (ius talionis) rechtfertigt keine rache. er regelt einen aus- gleich zwischen tätern und opfern durch eine angemessene entschä- digung. nur so wird der weg zur ver- söhnung geebnet. gerechtigkeit und solidarität müs- sen der gewalt entgegentreten. wir können die erlebte und miterlebte gewalt gott klagen und sie mit den mitmenschen teilen. die bilder des krieges lösen derzeit eine unge- ahnte welle der anteilnahme und hilfsbereitschaft aus. gleichzeitig sind bei denen, die vor jahrzehnten vertreibung, flucht und bombenan- griffe erlebt haben, die erfahrungen wieder präsent. angst macht sich breit. die verbrechen, die deutsche im 2. weltkrieg in ideologischer ver- blendung begangen und erlitten haben, wurden lange verdrängt. das hatte zur folge, dass unrecht oft nicht gesühnt wurde und die ge- walterfahrung sich festsetzte. statt schlaflosigkeit hinzunehmen, ist es besser, über traumata und verlet- zungen zu sprechen, wie wir es in den seniorenkreisen getan haben. fortsetzung auf seite 4 2